Das Land, in dem die Toten lebendig sind – Reise um die Welt, Teil 29

Unsere fantastische Reise ins Land der Torajer.

Das Volk der Torajer kam einst über das Südchinesische Meer nach Sulawesi. Sie siedelten sich an den Küsten an. In Laufe der Jahre traten sie jedoch langsam ihren Rückzug ins bergige Landesinnere an, verdrängt von einwandernden Völkern. Bewahrt haben sie sich ihre jahrhundertealten Traditionen und die, für sie typische, Architektur.

Die Holzhäuser haben Dächer, die in ihrer gebogenen Form an ein Boot erinnern. Das Haupthaus ist der Lebensraum. Das kleinere, identisch gebaute, Haus gegenüber wird als Reisspeicher genutzt, denn hier lebt man vom Reisanbau. Die, in der bergigen Landschaft ordentlich angelegten, terrassierten Reisfelder leuchten in einem satten Grün. Felsbrocken, die aussehen, als hätte ein Riese sie willkürlich über die Felder gestreut, durchbrechen die von Menschenhand gemachten Felder.

“Wunderschön“, denkt man, wenn man über die, sich durch die Berge windende, Straße fährt. „Mühsam“ denken sich die Feldbearbeiter, die hier jeden Tag ihre Pflicht erfüllen. Aber, wer ein Reisfeld besitzt, das sich über Generationen in der Hand einer Familie befindet, der hat ein Einkommen und kommt zurecht. Unser Guide, Lisa Soba, der ein wunderschönes Buch, zusammen mit einem National Geographic Fotografen veröffentlicht hat, kennt alle Foto Spots und jedes Detail der Geschichte der Torajer, zu denen er selbst gehört.

Wer ein Reisfeld besitzt, der hat ein Einkommen

Toraja

Hahn und Büffel, die Zeichen der Macht

Die Gesellschaft ist hierarchisch gegliedert. Die Schicht der „Feudalen‘“, denen die Reisefelder gehören, hat auch die Führung innerhalb der Familienstämme und des Dorfes, inne. Sie entscheiden über die Geschicke einer Dorfgemeinschaft. Am Haus des Stammesführers hängt unter den Dachsparren nicht nur ein hölzerner Büffelkopf, wie bei den meisten, sondern auch ein Hahn; das Zeichen der Macht.

Den hölzernen Büffelkopf dürfen sich alle ans Haus hängen, die die Zeremonien einer Hochzeit und einer Totenfeier, mit entsprechend vielen Gäste, durchgeführt haben. Erst dann ist das Haus ein richtiges Haus, im Sinne der Spiritualität der Torajer. Die darunter stehende Gruppe sind die „worker“, womit alle die bezeichnet werden, die eine andere Tätigkeit ausüben, die „fremde Arbeit“ annehmen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In der Vergangenheit gehörten die Sklaven zur dritten Schicht im feudalen System. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts, als die Sklaverei abgeschafft wurde, gibt es sie nicht mehr. https://en.wikipedia.org/wiki/Torajan_people

Toraja

Die Beerdigungen sind der Höhepunkt im Lebenszyklus eines Menschen. Je opulenter die Zeremonie und je mehr Wasserbüffel dafür geschlachtet werden, desto geachteter war der Mensch zu Lebzeiten. Ohne Wasserbüffel geht in Toraja gar nichts. Auf großen Viehmärkten werden sie verkauft. Die Albino Büffel mit den weißen Hautflecken und weißen Hörnern sind besonders teuer. Je nach Größe und Gewicht muss man schon ein paar Tausend Euro investieren. Da legen Dorfgemeinschaft und Familie zusammen, damit es ein würdevolles Fest wird und der oder die Tote ins Paradies der Torajer befördert wird.

Wir dürfen an einer Totenfeier für ein alte Dame, aus einer angesehenen Familie, teilnehmen. Fünfhundert Menschen haben sich versammelt, um die Tote zu ehren. Ihr Sarg ist würdevoll geschmückt und aufgebahrt. Die Gäste erweisen der Familie die Ehre, indem sie Essen und Süßigkeiten mitbringen und den Familienmitgliedern ihre Anteilnahme versichern. Würdevoll und fröhlich zugleich ist die Feier, die gelegentlich vom Geblöke der angebundenen Wasserbüffel unterbrochen wird.

Toraja

In einem Defilé ziehen wir zum Empfangs Pavillon der Familie und marschieren an Mädchen und Jungen in traditioneller Tracht vorbei. Wir werden über Lautsprechen als die Gäste aus „Jerman“ begrüßt und alle freuen sich, dass wir an dieser Feier teilnehmen. Von überall her sind die Gäste und Familienmitglieder angereist, teilweise sogar aus Jakarta. Wir versuchen, uns ein Bild davon zu machen, wer zu wem gehört und was wann passiert. Die Bilder, die Gerüche der vielen Speisen, die laute Musik und die Lautsprecherdurchsagen sind mitreißend und überwältigend. Später wandern wir zurück zu einem anderen Pavillon, wo wir mit anderen Familienmitgliedern bekannt gemacht werden und das gegrillte Fleisch der geschlachteten Wasserbüffel und Schweine serviert wird. Das Fleisch wird, zusammen mit Reis, mit der Hand gegessen. Es ist schmackhaft und die Trauergemeinschaft lässt es sich schmecken.

Toraja

Nach dem Glauben der Torajer dürfen die Toten nicht in der Erde bestattet werden, weil „Mutter Erde“ alles Leben spendet. Sie werden in Felsengräbern, Mausoleen und Freiluftsärgen, die an Felswänden oder in Höhlen aufgehängt werden, bestattet. Die Begräbnisstätten sind eindrucksvoll mit Puppenartefakten, die die Toten darstellen sollen, geschmückt. Kunstvoll verzierte Türen zu den Felsengräbern zeigen den Respekt der nachfolgenden Generationen, die ebenfalls in denselben Stätten begraben werden. Eine Felsengrabstätte wird von Hand ausgehöhlt. Es dauert ca. ein Jahr, bis eine solche „Beerdigungshöhle“ fertig gestellt ist. Darin haben viele Generationen von Familienmitglieder Platz. Wir sind sehr überrascht, als wir hören, wie teuer eine solche Grabstätte ist. Jedes Dorf hat seinen eigenen Beerdigungsplatz, der nur von den Dorfbewohnern genutzt werden darf. Unverheiratete laden im Massengrab, nach Geschlechtern getrennt.

Toraja

Die Bilder sind eindrucksvoll, die Geschichten bunt und lebensfroh. Das Tal der Torajer ist, trotzt mühevoller Anreise über löcherige und steile Bergstraßen, voller Aktivität. Auch auf den Viehmärkten geht es sehr lebhaft zu, in den Dörfern werden neue Holzhäuser gebaut, die Kinder rennen auf den Straßen, aus den Schule erklingt lautes Gelächter.

Beim Besuch der ersten Begräbnisstätte in Kete Ketsu werden wir von einer Gruppe Kinder und deren Lehrerinnen umringt. Die Kinder haben Karteikarten in der Hand. Die Lehrerinnen fragen uns, ob wir uns mit den Kindern auf Englisch unterhalten wollen. Die Kinder müssten lernen, sich besser in der fremden Sprache zu verständigen. Es wäre wichtig für ihre Zukunft und die des Landes, wenn man mit Menschen, wie uns, sprechen könne. Das tun wir sehr gerne und führen mit den Kindern fröhliche Gespräche über ihre Berufswünsche und Lieblings-Fußballspieler. Sie kennen mehr deutsche Spieler als wir. Auf einem deutschen Schulhof wäre es auch nicht anders gewesen.

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