Glaube an Veränderung – Die Bewegung Maria 2.0 – 2. Teil

Fortsetzung Interview: Der Glaube an Veränderung– Die Bewegung Maria 2.0.

Die Bewegung weitete sich in ganz Deutschland aus

I: Mittlerweile sind Sie ja doch sehr etabliert so als Verein. Sie haben eine Präsenz im Netz, Sie haben eine Webseite und in vielen Städten gibt es auch Vereine, die sich auch gegründet haben, habe ich recherchiert, dass es je nach Stadt auch unterschiedlich groß und aktiv ist. Die machen aber dann eigene Sachen. Wie ist da jetzt die Organisationsform?

B: Also wir sind eben kein Verein. Das ist uns auch sehr wichtig. Weil, ich glaube, das was Maria 2.0 ausmacht ist, dass die Menschen vor Ort, die sich in diesem Namen versammeln, ihre Aktionen selbständig planen und hinter dem was sie tun auch hundertprozentig dahinterstehen. Das heißt, wir haben nicht irgendwelche Dinge, die wir zentral planen und die dann an alle weitergegeben werden. Das passiert ab und zu punktuell, zum Beispiel mit diesem Thesenanschlag, den wir letztes Jahr gemacht haben. Aber es ist eher die Ausnahme. Also der Schwerpunkt ist eigentlich das lokale aktiv Sein und das Verändern der Kirche vor Ort, sozusagen von unten. Deswegen auch dieses Graswurzlerische. Genau diese schlechten Erfahrungen, die die Kirche mit hierarchischen Strukturen gemacht hat, die wollen wir auch nicht selber machen. Und deswegen bleiben wir einfach in der Breite, gleichberechtigt aufgestellt, wie wir sind. Also es gibt keine offizielle Struktur.

I: Das heißt, es kommen Menschen dazu, die sich für das Thema interessieren, die dazu beitragen wollen. Die sind willkommen. Jeder trägt etwas dazu bei und es ist ein dynamischer Prozess?

B: Genau, es ist immer dynamisch. Es ist natürlich auch vielleicht etwas anstrengender, als wenn es einfach alles klar geregelt ist, auch die Zuständigkeiten. Und es ist sicher auch oft chaotischer. Andererseits können wir auch viel schneller reagieren. Also, wenn eine Gruppe es wichtig findet zu einem bestimmten Thema eine Pressemeldung oder ähnliches rauszugeben oder sich öffentlich zu äußern, kann sie das einfach tun und muss das nicht erst mit allen abstimmen. Was oft, grade in Vereinen und Verbänden, zu sehr langen Abstimmungsprozessen führt. Wir sind dadurch relativ frei. Das heißt aber auch: man muss lernen auszuhalten, dass mir zumindest bestimmte Aktionen auch nicht so gut gefallen oder ich sie anders machen würde. Aber das ist nicht schlimm. Ich kann hier tun, in dem Bereich wo ich aktiv bin, wie ich es richtig und gut finde oder wie wir es gemeinsam verabreden hier. Und andere haben einfach einen anderen Zugang, andere Schwerpunkte, vielleicht inhaltlich oder eine andere Ästhetik und so weiter. Also, das ist einfach sehr verschieden. Und das macht es auch schön, finde ich. Zum einen ist es ein Lernprozess bei mir selber, diese Verschiedenheit auszuhalten. Aushalten ist jetzt ein zu starkes Wort, aber das einfach loszulassen, zu sagen: ja, die machen es anders, wunderbar. Wir machen es so und das ist alles in Ordnung und schön und gut. Und es ist auch etwas, finde ich, wovon wir auch in der Gesellschaft lernen können. Weil wir dadurch natürlich auch deutlich machen, wie verschieden und bunt wir sind. Und dass das aber alles auch nebeneinander und gleichberechtigt seine Gültigkeit hat und seine Berechtigung. Das ist in der Kirche zum Beispiel nicht so und auch in vielen anderen gese I: Das heißt also, wenn man, jetzt einmal abgesehen von den inhaltlichen Themen, auf die ich vielleicht auch gern nochmal zu sprechen kommen möchte, aber einmal über Ihre persönliche Entwicklung sprechen kann, dann ist es für Sie ein Prozess gewesen, dem Sie ganz viel für sich persönlich auch entnehmen konnten oder können?

B: Ja natürlich. Ich habe grade schon gesagt, grade was Pressedinge anbelangt haben wir alle unheimlich viel gelernt. So haben wir auch nicht angefangen. Ich kann mich an den zweiten Abend oder so erinnern, wo dann eine aus der Runde die ein bisschen mehr Erfahrung aufgrund ihrer sozialpolitischen Aktivitäten hatte, sagte: dann müsst ihr zur Pressekonferenz einladen und das so und so machen. Und ich saß dann nur: oh Gott, sowas müssen wir alles machen? Wie bekommen wir das hin? Und das sind natürlich Lernprozesse die wir alle jetzt in den zwei, drei Jahren durchlaufen haben, eine gewisse Erfahrung bekommen haben, ganz konkret im Tun. Aber auch im persönlichen Bereich. Wie gesagt, dieses: wie diskutieren wir miteinander? Wie handeln wir Sachen aus, auch in der überregionalen Gruppe? Wir haben zum Beispiel regelmäßig ein Treffen in der überregionalen Maria Gruppe. Das ist natürlich auch etwas, wo ganz viele dann zusammensitzen im Zoom. Wir machen das online, weil das Frauen aus ganz Deutschland sind. Da gibt es auch immer viele interessante und spannende Diskussionen.

I: Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Wenn Sie an den Prozess denken, gab es da auch Phasen wo man sagen kann: man stürmt los und dann formiert man sich als Gruppe, gemeinsam empfindet man sich als Gruppe in einem Prozess der sehr vielseitig und vielfältig ist, aber wo man doch das Gefühl hat, man formiert sich und steuert gemeinsam auf ein Ziel los?

B: Ja. Wir haben sozusagen zwei Beine auf denen wir stehen, von den Aktionen her. Wir haben auf der einen Seite diesen kirchenpolitischen Bereich wo wir aktiv sind. Da hat es auch Demonstrationen auf dem Domplatz gegeben. Da haben wir alle dieses Gruppengefühl sehr stark empfunden. Da kamen auch Menschen aus verschiedenen Regionen Deutschlands zum Beispiel zur ersten großen Demo auf dem Domplatz. Das war schon ein großes und starkes Gemeinschaftsgefühl. Da war auch viel Zuspruch von den Menschen die so in der Stadt waren und uns erlebt haben. Die kirchenpolitische Arbeit ist das eine. Ich glaube die schweißt sehr zusammen und die ist sehr kraftvoll. Das andere ist, dass uns auch unsere spirituelle Heimat wichtig ist, dass wir auch gemeinsam beten und Gottesdienst feiern, auch in den Aktionswochen zum Beispiel draußen vor den Türen. Das ist dann eine ganz andere Form von Gemeinschaft. Das ist dann eher die Kraftquelle die uns sehr stark verbindet und wo wir miteinander unsere Spiritualität teilen. Das sind zwei Bereiche, die uns als Gruppe auch sehr ausmachen, hier in Münster zumindest. Dass wir uns auch regelmäßig nach wie vor treffen, um gemeinsam zu beten einfach.

I: Das heißt, es gibt wirklich so eine Kraftquelle, die vielleicht vorher auch schon da war, aber die sich so nicht hat spüren lassen und die Sie dadurch mehr aktiviert haben?

B: Nein, ja. Wir sind alle kirchlich verbunden und ohnehin spirituell unterwegs gewesen durch Gottesdienstbesuche und auch andere Sachen. Aber ich glaube, wir haben nochmal andere Möglichkeiten entdeckt, also Spiritualität oder unseren Glauben in einer Gemeinschaft außerhalb dieser Kirche zu leben. Natürlich sind unsere Gottesdienste anders als die in einer Kirche, die von einem Priester der dem Gottesdienst vorsteht geleitet werden. Ich kann jetzt natürlich nur für mich sprechen, aber ich glaube, bei vielen von uns ist es mittlerweile tatsächlich so, mir geht es zumindest so, dass ich so eine klassische Messe kaum noch ertrage. Dieses bepredigt werden von einem Mann, der sich sozusagen zwischen mich und Gott stellt, das ist für mich mittlerweile eine seltsame Erfahrung. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir uns Möglichkeiten selber schaffen, wo wir noch unseren Glauben gemeinsam leben können. Weil, Glaube braucht natürlich auch Gemeinschaft. Das ist natürlich auch etwas Wichtiges für den Glauben. Man kann Glauben natürlich auch im stillen Kämmerlein leben. Aber Gemeinschaft ist auch etwas, was im Glaubensleben wichtig ist.

I: Und wofür die Kirche eigentlich steht.

B: Genau.

I: Und was sie repräsentiert. Jetzt haben Sie mich schon ein wenig mit auf die Reise genommen. Ich kann den Prozess gut nachempfinden. Ich habe es selber nur am Rande mitbekommen. Ich habe es zur Kenntnis genommen und, ich kann mich noch gut daran erinnern als es losging, auch mit freudigem Erstaunen betrachtet und das sicherlich auch ganz interessiert verfolgt und gutgeheißen. Und natürlich habe ich auch empfunden, dass das Mut braucht.

B: Das haben wir oft gehört. Ich persönlich habe das nicht so empfunden. Aber ich bin nicht für die Kirche tätig, also meine wirtschaftliche Existenz hängt nicht von der Kirche ab. Und ich bin auch nicht mit so einem hohen Identifikationsgrad mit der Kirche verbunden, wie jetzt zum Beispiel eine Seelsorgerin oder ein Priester. Für die Menschen die wirklich in und für diese Kirche arbeiten ist es natürlich nochmal eine ganz andere Geschichte. Ich finde die Menschen, die Priester die jetzt so lautstark protestieren und auch die Berufsverbände der Pastoralreferentinnen und so, die machen sich auch mittlerweile sehr kritisch bemerkbar. Die sind viel mutiger als ich. Von daher, ich habe das jetzt nicht so als mutig empfunden. Ich glaube für uns war einfach klar, dass das einfach notwendig ist, das zu tun.

I: Aber gab es da direkt so ein ganz konkretes Ziel was man ins Auge fasst und was man visioniert und wonach man strebt?

B: Ja, das Ziel ist natürlich Kirche zu verändern. Aber letztlich, ich persönlich bin inzwischen der Überzeugung, dass man diesen Monolithen nicht verändern kann. Was wir natürlich, denke ich, erreicht haben und was auch deutlich spürbar in vielen Diskussionen ist, dass die Menschen sich verändern. Da sind wir ein Teil von, das waren nicht nur wir. Das heißt, ich glaube, dass die Offenheit mit der inzwischen Kritik geübt wird und die Diskussionsfreudigkeit, auch sogar bis auf Bischofsebene, dass das etwas Neues in den letzten Jahren ist.

I: Auch initiiert so ein wenig aus dieser Sache heraus?

B: Ich glaube wir sind ein Teil davon. Es war einfach ein Zeitpunkt, wo diese Dinge in Bewegung kommen mussten. Wie gesagt, wir sind ein Teil davon, aber wir sind natürlich nicht die Ursache für all das. Aber das ist neu und wir haben das am Anfang mit dem Schlagwort Selbstermächtigung auch sehr in die Welt getragen, dass es eigentlich darum geht, die Menschen zu ermutigen die Verantwortung für ihren Glauben zu übernehmen und sozusagen auch für die Kirche, also zu sagen: wenn wir uns verändern, wenn wir diese klerikalen Strukturen nicht mehr bedienen. Klerikalismus hat immer zwei Seiten. Es gibt den Klerikal, aber es gibt auch die, die dann unbedingt den Priester dabeihaben wollen, wenn das und das ansteht. Der Klerikalismus funktioniert natürlich nur mit Menschen, die das auch mitmachen. Und da vielleicht mal öfter hinzuschauen, wo man da auch selber beteiligt ist an diesen Strukturen oder sich den Strukturen ganz zu entziehen, das Glaubensleben stärker selbst in die Hand zu nehmen. Ich weiß von Predigten, die inzwischen zum Teil von Menschen nicht mehr toleriert werden. Die gehen dann einfach raus und zeigen ganz deutlich, dass sie solche konservativen Ansichten oder was auch immer, nicht mehr hören möchten in der Kirche. Es ist nicht mehr so, das Klima ist offener und diskussionsfreudiger. Das ist schon deutlich spürbar. #00:21:23-0#

I: Und auch dieses Gefühl, was Sie grade schon angesprochen haben, dass Menschen das Bedürfnis haben, ihr Leben selbst zu gestalten, in die Hand zu nehmen, dass man auf Glaubensebene auch das Empfinden hat, das tun zu wollen. Und dass das vielleicht teilweise nicht so möglich war. Glauben Sie, dass das auch mit einer der Gründe war, warum das Bedürfnis nach einer Veränderung begonnen hat?

B: Ich glaube, das Bedürfnis nach Veränderung bei Kirche ist ganz klar eher aus einer Verneinung heraus, was ich am Anfang schon sagte, dieses: so wie es ist, ist es nicht richtig. Und ich glaube, dass auch viele Menschen noch nicht so genau wissen, wie es dann sein kann oder soll. Und es gibt Menschen, die wissen das vielleicht ganz klar. Das ist ganz unterschiedlich. Aber ich glaube, es sind sich viele, viele inzwischen einig, dass sich sehr vieles verändern muss. Es geht nicht um so ganz kleine Schritte und auch die Geduld ist nicht mehr all zu groß. Wir werden immer vertröstet: das ist Weltkirche und das muss erst abgestimmt werden und so weiter, diese Prozesse dauern. Aber, das was wir fordern ist eigentlich uralt. Die Dinge die wir nochmal irgendwie so kurz zusammengefasst haben in dem Brief, das haben wir sogar in dem Brief geschrieben: „wie so viele vor uns“ ist die Formulierung, glaube ich, in dem Brief. Das heißt, es gibt viele Reformgruppen, die schon seit Jahrzehnten in dieser Kirche unterwegs sind, die genau die gleichen Dinge anprangern, die genau die gleichen Dinge einfordern. Die Geduld der Menschen ist einfach zu Ende. Und das hat natürlich auch nochmal dazu beigetragen.

I: Sie haben anfangs auch schon angesprochen, dass Sie in dem Brief an Papst Franziskus einmal darauf aufmerksam gemacht haben oder angesprochen haben, dass die Aufklärung der Missbrauchsfälle aus Ihrer Sicht nicht gut gehandhabt wird. Zum anderen geht es auch um den Umbau der Kirche im Sinne von, und jetzt sind wir auch nochmal bei dem Maria Thema, dass die Frauen zu wenig Ämter haben oder sich da zu wenig repräsentiert sehen. Gibt es da irgendwelche Anzeichen dafür, dass sich da schon etwas bewegt?

B: Nein, eigentlich nicht. Also es gibt inzwischen einige deutsche Bischöfe, die offen die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass vielleicht Frauen doch auch irgendwann mal Priester*innen sein können. Aber ich sehe eigentlich nicht, dass die Reise dahingeht. Es gibt sehr viel Beharrungsvermögen in dieser Kirche. Und auch unser jetziger Papst hat ein sehr anachronistisches Frauenbild. Ich persönlich würde als Frau auch nicht in diese Kirche hineingeweiht werden wollen. Weil ich diese Kirche für eine der misogynsten Organisationen halte die es gibt. Und trotzdem ist es natürlich wichtig, diesen Kampf zu führen, weil die Kirche durch ihre Frauenverachtung einfach dazu beiträgt, dass Menschen die Frauen diskriminieren, die Frauen marginalisieren, die Frauen gewalttätig behandeln und so weiter, sich im Recht fühlen. Weil Frauen ja nur Menschen zweiter Klasse sind. Und das ist natürlich ein politisches Thema und kein kirchenpolitisches mehr. Und deshalb ist es auch für die Kirche wichtig, dass sie erstmal im 20. Jahrhundert ankommt, noch ist sie im 19.

I: Sie sind jetzt doch ausgetreten aus der Kirche, ist das richtig? Haben Sie jetzt aufgegeben?

B: Nein, das hat nichts mit aufgeben zu tun. Soweit ich kann, trage ich weiter dazu bei von außen diesen Prozess zu begleiten. Ich habe es letztens noch in einem Gespräch mit jemanden so formuliert: ich glaube wir müssen aufhören darüber zu streiten, was der richtige Weg ist. Es gibt Frauen, die möchten geweiht werden. Es gibt Homosexuelle, die möchten gesegnet werden. Es gibt Frauen, die finden die Vorstellung in diese Kirche hineingeweiht zu werden schrecklich. Es gibt Frauen, die sich diese Frage noch nie gestellt haben, die sich auch nicht berufen fühlen. Es gibt einfach so viele verschiedene Ansichten und auch Möglichkeiten, diese Kirche zu begleiten, also in der Kirche, mit der Kirche, neben der Kirche oder auch gegen die Kirche. Aber trotzdem eint uns der Wunsch nach Veränderung. Ich glaube, wenn wir aufhören, danach zu schauen, was jetzt der richtige Weg ist, sondern akzeptieren können, dass es verschiedene Wege gibt, dann kann da auch nochmal eine andere Gemeinsamkeit draus erwachsen, eine andere Kraft.

I: Die Kraft haben Sie eben auch schon angesprochen. Das führt mich noch einmal zu der Frage: es gibt auch andere , die aus so einem Bedürfnis nach Veränderung entstehen. Halten Sie nach wie vor diese Art des sich Zusammenschließens für eine gute Form, um Veränderungen herbeizuführen?

B: Dieses Graswurzlerische?

I: Ja.

B: Ja, auf jeden Fall für uns. Es kommt vielleicht auch darauf an. Ich glaube Fridays for Future ist auch so ganz verteilt und lokal aufgestellt, nur lose verbunden. Wir haben jetzt, ich weiß nicht, 5.000 Jahre eine Pyramide in dieser Gesellschaft. Und in der Kirche sowieso. Noch nicht so lange, weil die noch nicht so alt ist. Dieses Herrschaftssystem zeigt sich inzwischen in allen gesellschaftlichen Bereichen, überlebt es, es zerstört sich einfach selber. Es zerstört unsere Lebensgrundlagen, es zerstört die Menschen, es macht die Menschen kaputt in diesem System. Es zerstört die Beziehung von Menschen und beutet den Planeten aus und die Mitkreaturen. Wir können jetzt natürlich so weitermachen in diesem pyramidalen Herrschaftssystem und das Ganze vor die Wand fahren. Oder wir sagen: okay, wir versuchen gleichberechtigt miteinander auf dem Weg zu sein. Und dann ist eben das einzig mögliche Gesellschaftsmodell ein Netzwerk, also etwas, wo Menschen miteinander verbunden sind. Aber auf einer Ebene.

Andrea Voß-Frick im Interview
Andrea Voß-Frick im Interview

I: Das hat eine große Veränderungskraft.

B: Ja, das hätte eine große Veränderungskraft. Und ich glaube, dass wir das grade, nicht nur in der Kirche, sondern in vielen gesellschaftlichen Bereichen sehen. Und dass diese Freiheit, die daraus entsteht und die Verantwortung natürlich auch, wenn keiner mehr über mir ist und mir sagt was ich tun soll, vielen Menschen Angst macht. Das ist grade sehr schwierig und zeigt sich in vielen Diskussionen, die sehr vehement geführt werden und zum Teil sehr aggressiv. Und das Festhalten am Alten ist für sehr viele noch sehr wichtig. Ich bin gespannt wo es hingeht.

I: Ich finde das total interessant. Wie würden Sie Menschen die Angst haben, das aber sehen, Mut machen, diesen Weg zu gehen?

B: Das Problem ist, die einen die Angst haben sind die, die wirklich sehr aggressiv alles ablehnen, was sozusagen diese Vielfalt sichtbar macht. Wir sehen das zum Beispiel beim Thema Gendern, da werden ganz aggressiv Diskussionen geführt.

I: Verlustangst.

B: Genau. Und ich frage mich manchmal, wie man diese Menschen erreichen kann. Die Frage wüsste ich gar nicht zu beantworten. Ich verfolge auch viele Diskussionen im Netz. Und da erlebe ich schon, das sind so richtige Mauern, habe ich manchmal das Gefühl. Und das erlebe ich als sehr schwierig, diese Menschen zu erreichen. Auch jetzt beim Kirchenthema zum Beispiel. Wir bekommen auch manchmal Post, da graut es einen. Das ist alles noch im Rahmen, wenn ich mir andere Bereich in den sozialen Medien anschaue, was uns zugeschickt werden. Aber trotzdem, den einen oder anderen Brief würde ich nicht mehr als christlich bezeichnen. Das ist schon massiv. Und natürlich weiß ich oder erkläre mir dann: das sind Menschen, die haben Angst vor Veränderungen, die wollen einfach, dass es so bleibt wie es ist. Sie haben nicht die Möglichkeit tolerant zu sein gegenüber Menschen, die das anders leben wollen. Ich sage immer: wir nehmen keinem was. Also die, die so sehr an den alten Formen hängen, an alten Messformen oder an bestimmten Regeln, die wichtig sind für sie in ihrem Glaubensding, die können sie weiterleben. Wir wollen eigentlich etwas dazutun und den Raum weiten, den Raum der Möglichkeiten. Aber das scheint schon zu viel zu sein.

I: Das ist ein Veränderungsprozess auch gesellschaftlicher Art.

B: Ja.

I: Der da momentan sicherlich stattfindet und auch noch sich weiterentwickeln wird. Ich glaube, wir sind jetzt eigentlich auch schon am Ende angekommen. Das war jetzt noch eine Frage im Hinblick auf: wie gehe ich mit dem Thema um? Und wie nehme ich andere noch mit auf die Reise, ins Boot, mache Mut, sich auch auf den Weg zu machen? Und ich gehe jetzt mal davon aus, dass Sie keine Antwort von Papst Franziskus bis jetzt bekommen haben?

B: Das stimmt, die haben wir gar nicht bekommen.

I: Das ist aber sicherlich für Sie auch kein Grund, sich jetzt entmutigen zu lassen.

B: Nein.

I: Ich möchte mich ganz herzlich bedanken für das sehr, sehr interessante Gespräch. Und ich wünsche Ihnen alles Gute auf Ihrem weiteren Weg der Veränderung

B: Vielen Dank, auch für das Gespräch

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