Emotionale Bedürfnisse bei Veränderungen

Emotionale Bedürfnisse verstehen und gut durch Veränderungen gehen

Ich denke, also bin ich?

In meinem letzten Artikel mit den sechs wichtigsten Regeln, um gut durch Veränderungen zu kommen, ging es um die Phasen, die wir bei jeder Veränderung durchlaufen. Eine Frage blieb dabei offen: Was läuft dabei in uns ab? Steuern wir diesen Prozess bewusst denkend – oder werden wir dabei von unseren Emotionen gesteuert?

Darauf möchte ich jetzt genauer eingehen. Denn je besser wir verstehen, was in uns vorgeht, desto besser können wir mit uns selbst umgehen! Das ist gerade in den herausfordernden Phasen des Lebens wichtig, wenn tiefe und/oder plötzliche Veränderungen anstehen.

Gefühl und Verstand hängen zusammen

Auch ich bin mit der Überzeugung herangewachsen, der Mensch handele rein rational und Gefühl und Verstand wären getrennt. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Begegnungen mit philosophischen Gedanken und dem Satz „Cogito ergo sum“ , der den Philosophen René Descartes weltberühmt gemacht hat: „Ich denke, also bin ich“ – das machte für mich als etwa 20-jährige völlig Sinn!

Doch heute ist erwiesen, dass das Denken keine isolierte Tätigkeit ist. Antonio Damasio hat das in seinem Buch „Descartes´ Irrtum, Fühlen Denken und das menschliche Gehirn“ überzeugend dargelegt. Der Neurowissenschaftler erbringt den Beweis, dass wir Menschen eben nicht zweigeteilt aus „dummem“ Körper und „klugem“ Gehirn bestehen, sondern alles miteinander zusammenhängt.

Descartes' Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn.
Dieses Buch hat mein Verständnis von Körper und Geist auf den Kopf gestellt.

Deshalb sind Pro- und Kontralisten nicht hilfreich

Wir alle kennen Pro- und Kontralisten, die wir bei Entscheidungen einsetzen sollen. Doch diese sind nicht hilfreich – entgegen der verbreiteten Überlieferung. Es ist inzwischen bewiesen, dass Handeln ohne Gefühle nicht möglich ist. Unser Körper und unser Verstand sind untrennbar miteinander verbunden.

Körper und Geist bilden eine Einheit

Sehr vereinfacht dargestellt sind wir Wesen mit einem Körper und einem Nervensystem bzw. Gehirn. Sensorische Signale werden über die äußeren Nervenstränge ans Gehirn geleitet. Dort werden sie in Signale umgewandelt, die über das Nervensystem an die Muskeln weitergeleitet werden. Dabei spielen auch chemische Stoffe, wie Transmitter und Hormone eine Rolle. Körper und Gehirn bilden eine Einheit, in der ein ständiger Kreislauf von Prozessen abläuft.

örper und Geist bilden eine Einheit

Welche Denkprozesse laufen in unserem Gehirn ab?

Die neurologischen Prozesse, die in unserem Gehirn ablaufen und die letztlich zum Denken, zu Verhalten und zu unseren Entscheidungen führen, sind Stoff für einen weiteren Artikel. Hier und heute möchte ich mich erst einmal auf die Körper-Geist Verbindungen konzentrieren.

Unser emotionales Verhalten wird vom Stirnlappen unseres Gehirns gesteuert. Das weltberühmte Beispiel des verletzten Arbeiters Phineas Cage hat gezeigt, dass dort unsere Emotionalität zu verorten sind. Denn nach einem Unfall, bei dem genau diese vordere Region des Gehirns verletzt wurde, hatte er keine emotionalen Empfindungen mehr.

Aber wo genau ist die Brücke zwischen der biologischen Steuerung unseres Verhaltens und dem, was wir als verstandesgemäßes Handeln empfinden?

Sind Gefühle nur biologische Reaktionen?

Sind Gefühle nur biologische Reaktionen

Gefühle sind entweder angeboren….

Dazu zählen die Angst vor Geräuschen, bestimmten körperlichen Empfindungen wie Schmerz, die im limbischen System, dem ältesten Teil unseres Gehirns verarbeitet und automatisch vom Nervensystem in Reaktionen umgesetzt werden. Der Hirnstamm erhält eine beunruhigende Information – und es zeigt sich blitzschnell eine emotionale, körperliche Reaktion: Fasse ich eine heiße Herdplatte an, empfinde ich sofort Schmerz und ziehe die Hand weg.

… oder erlernt und werden mit erworbenen Vorstellungen verknüpft

Die erlernten Gefühle sind Reaktionen auf Empfindungen. Zum Beispiel löst die Information über den Tod eines guten Freundes im Gehirn die Information „Trauer“ aus. Die Information wird aufgenommen und mit der Vorstellung von Trauer verknüpft, also neuronal verarbeitet.

Wir nehmen diese traurige Situation wahr, wir empfinden den Körperzustand, den sie auslöst, während unser Denken sich ebenfalls daran anpasst. Allerdings haben wir keine „Muster“, derer wir uns bedienen: Wir können nicht verfolgen, wie der Körper seine Zustände konstruiert.

Fest steht: Der Körper erzeugt einen Zustand, chemisch und neuronal, den wir gedanklich nicht steuern können. Was beweist, dass wir unseren Geist nicht ohne die Gefühle betrachten können.

Wolken

Veränderungen werden von vier emotionalen Grundbedürfnissen gesteuert

Veränderungsprozesse werden von vier emotionalen Grundbedürfnissen gesteuert: Dem Bedürfnis nach Bindung, Kontrolle, Selbstwert sowie Lustgewinn oder Unlust oder der Vermeidung dieser Bedürfnisse.

In der Regel haben wir zwei emotionalen Muster, die uns geleiten. Im Veränderungsprozess versucht unser Gehirn erstens, unser Grundbedürfnis zu befriedigen oder uns vor dem Nichterreichen der Befriedigung zu schützen. Dabei versucht es, einen Zustand des Einklangs mit unseren Bedürfnissen herzustellen.

So schaffst Du es Deine Emotionen besser zu verstehen:

Wenn Du Dich in einem Veränderungsprozess befindest steht Deine Welt Kopf. Es gibt kein richtig oder falsch sondern nur ein Ziel: eine guten Weg zu finden, um gut durch die Veränderung zu kommen. Stell Dir doch selbst einmal die folgenden Fragen, um deine Emotionen besser zu verstehen:

Bindung: Wir alle suchen Nähe zu anderen und eine Bezugsperson. Wie gehst du mit deinem Grundbedürfnis nach Bindung um? Inwiefern bestimmt es deine Handlungen? Verhindert dein Bedürfnis zu jemanden zu gehören, deinen Wunsch nach Veränderung? Hörst Du bei deinen Entscheidungen stark auf die Meinung anderer?

Kontrolle und Orientierung: Je mehr Kontrolle ich habe, desto stärker ist das Gefühl, dass ich die Zukunft bereits erkennen kann. Wie groß ist dein Kontrollbedürfnis? Nutzt du deinen Handlungsspielraum überhaupt aus? Willst du Kontrolle haben, um selbstbestimmt zu leben? Kannst Du dich auf Neues einlassen? Bist du neugierig?

Selbstwert: Je stärker ich mich als wertvoll erlebe umso zufriedener bin ich. Bekommst du genug Wertschätzung? Wie und von wem bekommst du Selbstbestätigung? Will ich mich schützen und wehre dadurch Neues ab? Was nehme ich auf mich, um mich wertvoll zu finden? Wie wichtig ist mir die Bestätigung von außen?

Lust/Unlust: Was schenkt dir Freude – und wie vermeidest du unangenehme Dinge? Wie verhinderst du dadurch eine Veränderung? Umgehst Du unbequeme Situationen? Ist Lust auf etwas zu haben wichtiger, als auf etwas zu verzichten, um eine Veränderung zu erreichen?

In meiner eigenen Geschichte zeigen sich die Emotion „Selbstwert“ und „Orientierung“. Ich wollte Selbstverwirklichung, einen eigenen Raum, Unabhängigkeit und Freiheit haben. Im Fall meiner Berufswahl „Flugbegleiterin“, wie im letzten Artikel geschildert, zeigte sich aber gleichzeitig, auch das Bedürfnis nach Orientierung, in diesem Fall, der Orientierung in der Welt.

Orientierung

Bedürfnis nach Orientierung

Wie gehen wir mit unseren Emotionen um?

Wenn wir unsere Emotionen ergründet haben, verstehen wir, wie sie unser Verhalten beeinflussen. Dann können wir besser mit Ereignissen und Umständen umgehen, die Ängste auslösen oder Freude entfachen. Wir verstehen uns selbst besser und sind unseren Emotionen weniger.

Dadurch fällt es uns leichter, unser Ziel zu definieren und wir lernen auf die eigenen Ressourcen und Kräfte zu vertrauen. Das schenkt uns Energie und die Möglichkeit, uns kraftvoll und zuversichtlich in Bewegung zu setzen – hinein in die Veränderung. Sobald wir das tun, setzen wir das Glückshormon Dopamin frei und spüren, dass sich etwas bewegt, dass wir etwas in Gang gesetzt haben. Deshalb hilft es Dir, deine Emotionen zu erkennen und zu verstehen, um gut durch einen Veränderungsprozess zu kommen.

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