Es ist genau neunundzwanzig Jahre her, dass ich, mit meinem ersten, gerade geborenen, Kind nach Singapur zog, um mein Leben als Expat Ehefrau, Mutter, und keine Ahnung was sonst noch, zu starten. Zuvor hatte ich gekündigt, was sollte ich auch noch mit einem Job in Düsseldorf, wo doch das Ende dieses Lebenskapitels noch völlig offen war. Die Eskorte zum Frankfurter Flughafen war tränenreich und der Flug nach Singapur in die Nacht hinein ebenfalls.
Was dann folgte waren aufregende Monate, geprägt von der Anpassung an feuchte Hitze und ein Leben mit fünf Millionen Menschen aus vielen Nationen auf einer zugebauten, luxuriösen Insel. Neben dem Hitzeschock war der Kulturschock das größere Problem. Zwar war Englisch die gängige Sprache, aber zwischen Theorie und Praxis liegen Welten und die ersten Sozialkontakte mit unfreundlichen und ungeduldigen Taxifahrern, deren englische Aussprache völlig unverständlich war, frustrierend. Genauso waren auch die Begegnungen mit Handwerkern und Hausmeistern, neben den Taxifahrern meine nächsten Kontakte, gewöhnungsbedürftig.
Es gab kleine Zufluchtsorte, wie den Botanischen Garten mit seinem unvergleichlichen Orchideenparadies oder die East Coast, ein langer Küstenweg, mit Blick auf hunderte Containerschiffe, die dort vor Anker liegen oder vorbeifahren und an dem, damals, die vielen Fischrestaurants abends vor Menschen überquollen. Heute ist es ein Fitnesspark, in dem die, durchtrainierten, vorwiegend chinesischen, Männer abends joggen und Radfahren. Leider sind von den vielen Fischrestaurants nur wenige geblieben. Die berühmten „pepper crabs“ gibt es immer noch, allerdings hat man eher das Gefühl, sich in einem Fischlabor, als in einem Restaurant zu befinden.
In Summe fühlte sich das Leben wie ein angenehmer und warmer Fluss an, der vor sich hinplätscherte. Es gab ein riesiges Angebot an Waren und viel Hilfe bei der Erledigung der täglichen Arbeiten, aber etwas fehlte. Es fehlte der Austausch und die Begegnung mit den Freunden und der Familie. Abgekapselt und einsam waren die stetig präsenten Hintergrundgefühle dieser Zeit, was sich nur sehr langsam änderte.
Es gab andere Mütter, es gab Clubs, in denen Kontakt aufgebaut werden konnten, es gab Spielgruppen. Aber es war schwierig. Zu unterschiedlich waren die kulturellen Hintergründe, die individuellen Bedürfnisse und die Wünsche an das Leben in der Fremde. Viele hielten nicht lange durch und nahmen sich Auszeiten, in denen sie nach Hause flogen. Es war ein einziges Kommen und Gehen, nicht organisier- und vorhersehbar. Kaum hatte man sich mit jemandem angefreundet, war es schon wieder zu Ende, weil es weiter, in eine andere Stadt oder in die Heimat, ging. Der Durchbruch kam mit dem Job beim Goethe Institut. Die sinnstiftende und anspruchsvolle Arbeit, die Kollegen und interessanten Begegnungen waren ein Segen. Aber kaum hatte sich das etabliert, ging es auch schon wieder zurück nach Deutschland.
Alle diese Gedanken und Erinnerungen gehen mir durch den Kopf, als ich durch die Stadt gehe. Die Stadt hat ihr Gesicht verändert. Neue Stadtviertel sind dazugekommen. Schicke neue Hotels, ein futuristisches Einkaufszentrum und Casino stehen auf Land, das man aus dem Meer gewonnen hat. Hier ist alles möglich und alles ist wohlgeordnet und sauber. Das Leben verläuft reibungslos, unaufgeregt und vielleicht aber auch nicht wirklich aufregend.
Plastic Odyssey
Aufregend ist allerdings die Entdeckung einer besonderen Mission. In unserer beschaulichen Marina auf Sentosa liegt ein ungewöhnliches Stahlschiff, auf dem, in großen Buchstaben, Plastic Odyssey zu lesen ist.
Schon seit Tagen kommen, mehrmals am Tag, Besuchergruppen, die durch das Schiff geführt werden. Es sind Schüler, Studenten und Geschäftsleute. Das macht neugierig. Auch wir werden eingeladen und dürfen an Bord. Dort bekommen wir eine kleine Sonderführung von Simon Bernard, der zusammen mit Alexandre Dechelotte, diese Unternehmung vor wenigen Jahren gegründet hat. Sie wollen die Welt besser machen und sammeln auf dem Weg über die Weltmeere Plastikmüll, der, mit Hilfe von Maschinen an Bord, extrudiert und zu neuen Produkten, wie z.B. Dachziegel, Paletten und Bretter für Stühle, verarbeitet wird. Diese, relativ einfach zu bedienenden und in der Anschaffung auch nicht teuren, Maschinen können in Containern untergebracht werden.
Einmal aufgestellt, benötigen sie Strom und ca. zwanzig helfende Hände, um als selbständige Businessunits unterhalten zu werden. Geld verdienen, Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig ein Umweltproblem lösen, das klingt zu schön, um wahr zu sein. Aber immer mehr Länder entdecken die Wirksamkeit dieses unkomplizierten Konzepts und Dank der unermüdlichen Aufklärungsarbeit in Schulen und Behörden wird die Idee weiterverbreitet.
Wir sind auf der gleichen Route wie die Plastic Odyssey auf den Weltmeeren unterwegs und auch wir haben unterwegs viel Plastik Müll gesehen. Es gibt Länder, in denen Müll getrennt wird, wo es Bemühungen gibt, die Umwelt zu schützen. Aber es gibt viele andere, wie die Dominikanische Republik und Indonesien, die im Müll ersticken.
Hier wird alles ins Meer geworfen, ohne darüber nachzudenken, das sich Plastik nicht zersetzt, sondern angeschwemmt wird. Wie z.B. auf Henderson Island, einer wunderschönen einsamen Paradiesinsel im Pazifik, die im wahrsten Sinne, zugemüllt war. Bis die Plastic Odyssee und ihre findigen Betreiber auf die Idee kamen, den gesammelten Müll mit einem Paraglider über das, bisher unüberwindliche Riff, zu befördern. Die Energie dazu lieferte ein, im Stand laufendes, Motorrad. Am besten schaut man sich diese hollywoodreife Aktion auf dem Video an, dass man auf der Website findet. https://plasticodyssey.org/en/ . Dieser Unternehmung kann man nur von Herzen viel Erfolg wünschen und hoffen, dass viele ihrem Beispiel folgen werden.
Voller positiver Energie und Zuversicht, dass die Welt vielleicht doch noch zu retten ist, verlassen wir das teure Shoppingparadies, das sich selbst, mit seinen Millionen Klimaanlagen schneller aufheizt als andere Städte. https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/klimawandel-asiatische-megastaedte-heizen-sich-schneller-auf-16600896.html.
Aber wir wären nicht in Asien, wenn es dafür nicht auch schon eine innovative Lösung gäbe. https://www.dw.com/de/singapur-gr%C3%BCne-k%C3%BChltechnik-gegen-tropische-temperaturen/video-59669066
Wie z.B. diese Kühltürme. Sie sorgen für den Klimaausgleich für das gigantische Projekt Marina Bay Sands, das künstlich, im Meer, angelegt wurde. Innovativer Umweltschutz kann auch schön sein und abends mit Hilfe von Licht- und Musikshows der Stadt und den Menschen ein optisches Geschenk machen.