„Let your soul stand cool and composed before a million universes“,
(Walt Whitman)
könnte als Zitat sehr gut zu unserer nächsten Expedition passen, denn die, zu Indien gehörenden Andamanen und Nicobaren Inseln, sind ein kleines, touristisch weniger erschlossenes, eigenes Universum mitten im Golf von Bengalen. Auf dieser Reise hat man sich oft eins mit der Welt und dem Universum gefühlt, unterwegs im grenzenlosen Raum sozusagen.
In der Realität erfordert aber jedes Betreten eines neuen Landes die Erfüllung vieler Vorgaben. Die Inseln werden vom indischen Militär sorgsam bewacht und ein Besuch mit einem privaten Schiff ist aufwendig. Schon lange bevor man hierherkommt, muss man den örtlichen Behörden einen Plan vorlegen, welche Stellen wann besucht werden. Er muss offiziell abgesegnet werden. Für indische Landsleute sind die Inseln, relativ leicht, zu erreichen und sie kommen und tummeln sich auf der Hauptinsel Havelock Island. Für den Rest der Menschheit dauert die Anreise sehr lange. Außer Havelock hat keine andere Insel eine touristische Infrastruktur.
Die Nicobar Inseln
Die Nicobar Inseln sind eine „No-go Area“. Dort leben noch ca. 25.000 Menschen. Es sind Völker, die keinen Kontakt mit Touristen wünschen. Angekommen in Port Blair, dem Hauptort der Inseln, reisen wir ein, was eine recht lange Prozedur ist. Das Internet auf den Inseln in launisch und wir müssen uns gedulden. Dann stehen wir vor einer Glasscheibe. Der ernst wirkende, uniformierte Beamte dahinter begutachtet unseren Pass. Die Männer arbeiten hochkonzentriert. Frauen sind, außer den Putzfrauen, keine anwesend.
Ganz anders als in Thailand und Malaysia, wo sehr viele Frauen im öffentlichen Bereich arbeiten. Schließlich ist alles erledigt und wir können starten. Die nächsten Tage werden einsam und das sehen wir, als wir vor einer Insel ankern, die einer perfekte Jurassic Park Kulisse gleicht. Dichter Urwald zieht sich bis zur Bergspitze, in den kleinen Buchten ist die Unterwasserwelt unberührt und das Wasser von unvergleichlicher Klarheit. Wo sonst hat man eine Sicht von fünfzig Metern? Das ist schon etwas sehr Besonderes und die Korallen und Fischvielfalt zeigen deutlich, dass die Natur hier komplett in Ruhe gelassen wird.
Es gibt hier nur einen kleinen Militärstützpunkt. Die Beamten freuen sich sichtlich über unseren Besuch. Sehr selten kommt ein Privatboot in diese Gegend. Es ist nur indischen Boote erlaubt, das Tauchen kommerziell zu organisieren, doch die gibt es seit Covid nicht mehr. Die Inseln waren sechs Jahre lang für den Tourismus gesperrt und sind gerade erst wieder freigegeben worden. Sie kommen an Bord und „kontrollieren“ unsere Papiere. In Wirklichkeit nehmen sie unseren Kaffee dankbar an. Sie erzählen uns, dass alle dreißig Tage das Personal auf diesem Außenposten ausgetauscht wird. Das kann ein langer Monat werden, an diesem paradiesisch schönen, aber sehr wilden, einsamen Ort. Am nächsten Tag sehen wir sie in ihrem Schlauchboot fischen und dann kommen sie zu uns und schenken uns ihre Beute. Zwei prächtige Wahoos wandern in unsere Gefriertruhe, die Küche dankt.
Barren Rock
Barren Rock ist eine unberührte Insel mit einem aktiven Vulkan. An der Westküste der Insel gibt es Lavafelder, die bis ins Meer hineingehen. Der Vulkan dampft und qualmt, wir liegen friedlich zu seinen Füßen und genießen, ein weiteres Mal, die unendliche Klarheit des Wassers. Beim Tauchen sehen wir Hartkorallenfelder soweit das Auge reicht, Fischschwärme und sogar zwei kleine Mantarochen, die immer wieder zwischendurch in unserer Bucht auftauchen.
Zurück in Port Blair kümmert sich Amar um uns. Er sorgt dafür, dass uns die zwei Stunden Wartezeit bis zum Ausreisestempel nicht zu lange werden. Ein Geduldsspiel, das man nur gewinnen kann, wenn man die Nerven behält. Anschließend fährt er uns zum Einkaufen auf den Markt.
Es ist ein Fest der Farben und Gerüche. Zwischendurch müssen wir im Verkehrsstau lange warten und kommen ins Gespräch. Er erzählt mir, dass er Schulden habe, es auf den Andamanen Inseln zu wenig Einkommensmöglichkeiten gäbe und er eigentlich unbedingt nach England immigrieren wolle, was sehr schwierig sei. Ich frage ihn, wie das abläuft und er erklärt mir, dass der Bewerber einen Sponsor benötigt, die oftmals für diesen Dienst sehr viel Geld verlangen.
Er nannte die Summe von 4.000 Pfund. Die habe er nicht, und müsse sich das Geld erst erarbeiten, um es zurückzuzahlen. Ich erlebe mich selbst von einer ungewohnten Seite und halte eine flammende Rede dagegen. Erkläre ihm, dass ich der Meinung sei, es handele sich um Ausbeutung, und ob er wisse, wie lange es dauern würde, bis er eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis bekäme und wieviel er unter welchen Bedingungen verdienen würde. Schaut man auf die Webseite der britischen Regierung, dann sind indische Staatsbürger sehr willkommen, allerdings nur, wenn sie einen IELTS Test und ein Bachelor Examen nachweisen können. Dann bekommen sie schnell einen Job und eine Aufenthaltserlaubnis.
Für alle anderen besteht die Gefahr, dass sie mit weniger guten Bedingungen vorliebnehmen müssen. Ich erkenne mich selbst nicht wieder und ich glaube, meine Reaktion ist maßlos übertrieben. Schließlich kommen viele mit Ersparnissen wieder zurück, mit denen sie sich eine Existenz aufbauen. Aber ich bin wütend. Wie wolle er mit Minusgraden und Einsamkeit in einem schwierigen Ambiente überleben? Es gibt nicht nur Erfolgs Stories. Er habe doch einen guten Job, er sei Fahrer einer renommierten Agentur. Wie wäre es denn, sich Gedanken darüber zu machen, ein eigenes Auto zu kaufen und seine Dienste auszuweiten, sich einen guten Ruf zu erwerben und vor Ort ein kleines Unternehmen aufzubauen? Er ist jetzt richtig schlecht gelaunt und ich habe das Gefühl zu weit gegangen zu sein. Da ist sie, die europäische Brille, aber ich merke, dass er anfängt, darüber nachzudenken. Wir verabschieden uns friedlich und dann geht es weiter für uns, auf unserem Kurs in Richtung Afrika. Die nächste Station heißt Sri Lanka und wir werden vier Tage brauchen, um im Süden der Insel, in Galle, anzukommen.