Fast hätte ich es verpasst, das Grande Finale dieser Expedition. Durch ein Passproblem gezwungen, die Heimreise plötzlich und unvorbereitet anzutreten, saß ich im heimischen Münster, mein Mann und Weltumrundungsgefährte war weiter mit dem Schiff in Richtung Kapstadt unterwegs und ich wartete auf meinen neuen Pass. Der kam und damit auch der Entschluss, wieder zurückzukehren und gemeinsam mit unserem Team über den Atlantik mitzufahren. Das geschieht dann auch Anfang Mai, als sich das Wetter einigermaßen beruhigt hat. Noch trennen uns viele tausend Seemeilen von den heimatlichen Gefilden und von Kapstadt geht es dann in acht Tagen nach St. Helena. Ich muss mich erstmal wieder an lange Überfahrten gewöhnen und in die Bewegung der Wellen einschwingen. Denn so fühlt es sich an, schwungvoll, mit Wind von hinten und Wellen, als würden wir unserem Ziel entgegen tanzen.
Nach zwei Jahren und sieben Monaten fahren wir zurück ins Mittelmeer
Kurz vor unserer Ankunft überqueren wir den Greenwich Meridian von Ost nach West und sind damit offiziell einmal um die Welt gefahren. Mir wird bewusst, dass wir jetzt seit zwei Jahren und sieben Monaten unterwegs sind. Keinesfalls fühlt es sich so an und doch ist es ein langer Zeitraum. Ich bin voller Dankbarkeit für dieses wunderbare Erlebnis und die zuverlässige Technik, die es uns ermöglicht.

Die Gedanken wandern nicht nur zurück zu den eigenen Erlebnissen, sondern plötzlich denke ich an die Weltumsegler der Geschichte. Wie lange haben die ersten Weltumsegler benötigt, um die Strecke zurückzulegen, in den Zeiten, in denen es noch keinen Panamakanal gegeben hat? Es ist schon erstaunlich, dass der erste Weltumsegler Ferdinand Magellan, der Entdecker der Magellanstrasse, im Süden des lateinamerikanischen Kontinents, auch „nur“ drei Jahre benötigte. Er startete 1519 und sein Ziel war es, die Strecke nach Westen und zu den Gewürzinseln, zu finden. Die fand er auch, allerdings wurde er auf der Rückreise auf den Philippinen getötet und sein Offizier Juan Sebastián Elcano führte die Expedition 1522 zu Ende. Von den fünf Schiffen kam nur eins, die Viktoria, mit 18 Mann nach Spanien zurück und er erhielt die Ehrung, als erster, um die Welt gesegelt zu haben.
Keine sechzig Jahre später machte sich Sir Francis Drake von England aus, auf die Reise. Auch er segelte durch die neu entdeckte Magellanstrasse, hatte dann allerdings ein paar Probleme, von Kap Horn weg zu kommen. Nachdem ihm das gelungen war, segelte er fast die gesamte Westküste Lateinamerikas und Amerikas bis nach Vancouver. Zwischendurch überfiel er ein paar spanische Schiffe, die sich mit dem, von den Inkas geraubten Gold, auf den Heimweg machen wollten, raubte ein paar Küstenorte aus, um dann doch den Weg durch den Pazifik nach Europa, wie Elcano, zu nehmen.
Die Nord-West-Passage, war noch nicht passierbar. An der haben sich später viele Entdecker, wie Sir John Franklin 1845, tragisch und erfolglos versucht. Erst 1903 gelang Roald Amundsen die vollständige Durchfahrung. Drake musste über den indischen Ozean und den Atlantik zurück nach Europa fahren und benötigte für seine Weltumrundung ebenfalls drei Jahre. Er kam mit einem Schiff voller Schätze nach England zurück, die von Königin Elisabeth sehr freudig entgegengenommen wurden. Er wurde zum Ritter geschlagen und war ein gemachter Mann. Aber einmal Seefahrer, immer Seefahrer. Sowohl er als auch Elcano kamen, Jahr später, bei weiteren Erkundungsfahrten, ums Leben.
Auch wir waren gezwungen, um das Kap der guten Hoffnung zu fahren, obwohl es doch seit 1869 den Suezkanal. Ein weiteres Wunder der Ingenieurskunst, wäre da nicht die Hutis, die Amerikaner, die Israelis, die Saudis, die Iraner etc. Die Welt und unsere Versicherungsgesellschaft verhindert die Durchfahr. Wenigsten durften wir uns bei unserer Weltum-rundung am Segen moderner Navigationstechnik, Motoren, Stabilisatoren und Kühlschränken erfreuen. Es war nicht unbedingt entbehrungsreich, aber trotzdem nicht weniger abenteuerlich, denn die Meere bergen nach wie vor Gefahren, die Launen des Wetters werden durch den Klimawandel schlechter vorhersehbar.
Es braucht Resilienz, um Ungewissheit auszuhalten
Die Technik kann streiken und es braucht Menschen, um diese Unternehmung nach vorne zu bewegen. Es braucht Resilienz, um Langsamkeit, Einsamkeit und auch Ungewissheit auszuhalten. Begeisterungsfähigkeit, um Neues entdecken zu wollen, die dann auch mal umschlagen kann, in Mutlosigkeit, wenn die Organisation vor Ort nicht so läuft, wie gewünscht, das Wetter so schlecht ist, dass man wochenlang in einem weniger schönen Hafen „gefangen“ ist.
Es braucht Mut, Geduld und eine echte Entdeckermentalität, flexibel, offen und vorurteilsfrei. Jeden Tag sich selbst ein wenig motivierend kommt man ans Ziel. Das Gefühl, sich überwunden und es geschafft zu haben, setzt starke Kräfte frei. Auch in schwierigen Momenten, in denen sich keine Lösung abzeichnete, haben wir immer einen Ausweg gefunden, sonst wären wir nicht so weit gekommen. Das löst ein großes Glücksgefühl aus! Durchhalten und an sich glauben, das war sicher auch die Devise der ersten Seefahrer, wobei ich mir die Dramatik ihrer Aktionen kaum ausmalen kann.
Das Gefühl, sich überwunden und es geschafft zu haben, setzt Kräfte frei
Bevor wir jedoch die weite Rückreise über den Atlantik in Angriff nehmen, machen wir einen Zwischenstopp auf St. Helena. Dieser schroffe Felsen im Atlantik, einstiger Verbannungsort Napoleons, ist eine willkommene Abwechslung auf dem langen Weg in die Heimat. Hier leben 4.300 Menschen, also kennt jeder jeden und auf unserer Inselrundfahrt wird pausenlos gegrüßt und gewinkt. Sehr freundliche Menschen sind die St. Helenarer. Die Jakobs Leiter, eine 699 Stufen lange Treppe, die früher einmal der Versorgung der oben, auf den Felsen liegenden, Bastion diente, ist heute eine Touristenattraktion und willkommene Fitnesseinheit für müde Bootsfahrer.

Wir schauen uns das Haus an, in dem Napoleon die Zeit der Verbannung bis zu seinem Tod verbrachte. Es ist zwar nicht prunkvoll jedoch sehr gemütlich. Man hatte ihn ans Ende der Welt, mitten in auf einen kleinen Felsen im Atlantik, geschickt, aber er war doch von wohlmeinenden Menschen und einem gewissen Komfort umgeben. Wir essen bei Anna, dem Hot-Spot der Weltumsegler und Atlantiküberquerer, wovon zahlreiche Fotos, Plakate und Wimpel zeugen. Anna hat über zwanzig Jahre lang in Deutschland gelebt, ja so klein ist die Welt, nicht nur auf St. Helena.

Noch sind wir unterwegs, haben die Kapverden hinter uns gelassen und nehmen Kurs auf Madeira. Von dort werden wir dann ins Mittelmeer fahren, Ziel und Abschluss der Reise ist Barcelona, wo wir hoffentlich im Juni heil und mit all unseren „Schätzen“ ankommen werden.