Liebe Leserinnen und Leser,
das ist der 32. Artikel über unsere Bootsreise um die Welt seit September 2022. Ich freue mich sehr über Eure Ausdauer und Euer Interesse. Damit begleitet ihr mich ein wenig und das bedeutet mir viel. Alles Liebe und bis bald, aus Singapur!
Herzliche Grüße
Sabine
Hanoi
Vermutlich war es praktisch. Deshalb haben die Franzosen bei der Kolonialisierung von Vietnam, Laos und Kambodscha die drei Länder unter dem Begriff „Indochina“ zusammengefasst. Hier setzt die vage Geschichtskenntnis ein und bei der ersten Auseinandersetzung mit der Geschichte Vietnams wird deutlich, wie wenig Wissen über dieses Land vorhanden ist.
Hanoi erschien mir als märchenhafte Stadt, irgendwo im Norden eines unbekannten Landes, dessen Geschichte ich hauptsächlich mit dem Vietnamkrieg verbinde. Darüber schwebt die koloniale Vergangenheit, gestützt von romantischen Filmen und sagenumwobenen Namen wie Saigon und Hoi An. Ich bin, sozusagen, irgendwo zwischen 1870 und den 60iger Jahren stecken geblieben. Was ich vorfinde, ist eine quirlige Stadt, die bei Touristen beliebt, liebenswert und authentisch ist. Hier habe ich zum ersten Mal tatsächlich Angst, von Motorrollern überfahren zu werden, aber ich übernehme die energische Geste und mutige Fahrbahnüberquerungsmethode unseres freundlichen Guides Duc. Damit überleben wir in der Altstadt, in der es immer noch Straßen gibt, die nach Gewerbe getrennt sind. Hier findet man die Straße der Türbeschlaghersteller, der Vogelkäfigbauer und Seidentuchverkäufer. Ich finde zufällig auch die Straße der Kunst und der Galerien, die sich sicher aus pragmatischen Gründen in einem sehr zentralen Bereich des „old quarter“ angesiedelt haben.
Dort hängt ein Foto unseres derzeitigen Kanzlers Scholz, der die Galerie vor kurzem besucht hat. Die anspruchsvolle und ausdrucksstarke Kunst wird seither gerne von deutschen Kunden erworben, wie mir der stolze Galeriebesitzer versichert. Es ist trotz Regenzeit viel los in der Stadt. Am Wochenende wird der zentrale See mit seinem illuminierten Tempel und der hübschen roten Brücke von feierwütigen Asiaten umlagert.
An jeder Ecke gibt es fantastischen Kaffee. Ich habe selten so guten Kaffee getrunken. Vollmundig, samtig und ein wenig nach Schokolade schmeckend treibt er mich am Morgen auf die Straße. „Egg coffee“ ist eine andere Spezialität, bei der, Eigelb mit Zucker verschlagen, die geschäumte Milch des italienischen Cappuccinos ersetzt. Es schmeckt herrlich. Überhaupt ist herrlich im Zusammenhang mit Essen keine Übertreibung.
Auf unserer Streetfood Tour genießen wir wunderbare Sandwiches, die hier Ban Mie irgendwas heißen. Pfannkuchen, gedünstet oder gebraten sind neben gefüllten Reisnudelrollen eine weitere Spezialität. Rindfleisch in duftenden Soßen mit zartem Jasminreis und sehr leckere Nachtische, die soßenreich mit kleinen bunten Geleekugeln angeboten werden, runden das Programm ab. Sechs Stationen umfasst die „Fresstour“, die großen Spaß macht. Mehr geht auch nicht, obwohl es noch so viele andere Speisen zu entdecken gäbe. Das französische Kolonialerbe findet sich aber auch noch in Form von zahlreichen französischen Restaurants wieder. In einem davon speisen wir vorzüglich. Westliches Essen mit einem vietnamesischen Einschlag; eine wunderbare Kombination.
Literaturtempel, Hanoi
Aber Hanoi hat auch kulturell viel zu bieten. Der Literaturtempel, der kein Tempel, sondern eine kaiserliche Akademie war, ist allein schon ein Grund, um nach Hanoi zu reisen. In der 1007, für Adelige, gegründeten Bildungsstätte wurden über 1000 Jahre lang universitäre Studien nach den Grundsätzen von Konfuzius durchgeführt. Es herrschte ein hoher Anspruch an Wissen und Weisheit. In einem der Innenhöfe stehen 34 Steinstelen mit Schildkrötenverzierungen. Hier sind Name, Geburtsort und das Ergebnis der Doktorprüfung der insgesamt 1307 Absolventen der kaiserlichen Prüfungen während der Lê- und der Mạc-Dynastien von 1442 bis 1779 in den Stein gemeißelt worden. Die Schildkröten symbolisieren Kraft und Weisheit und das waren sie wohl auch, die Absolventen. Jahrelange Studien und das erfolgreiche Bestehen schwieriger Prüfungen zeichneten sie als besonders begabt aus. Auch die architektonische Anlage ist ein Juwel und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Im französischen Viertel liegt der Präsidentenpalast. Die breiten Straßen sind von kolonialen Gebäuden, die heute Regierungsgebäude sind, gesäumt. Das Ho-Chi-Min Denkmal erzählt die Geschichte des Mannes, der das Land, nach den schweren Kämpfen zwischen den, nach Unabhängigkeit strebenden, Vietnamesen und Frankreich schließlich 1957 in die Unabhängigkeit geführt hat. Von 1945 bis zu seinem Tod, 1969, war Ho-Chi-Min Vorsitzender der kommunistischen Partei des Landes und dessen Präsident. Es lohnt sich, einen Blick auf seine interessante Lebensgeschichte zu werfen https://en.wikipedia.org/wiki/Ho_Chi_Minh. Sein Volk hat ihm ein würdiges und sehr üppiges Denkmal errichtet, an dem der Urlauber vorbeidefilieren kann.
Ein Ausflug ins Umland lässt erahnen, dass die Landbevölkerung in sehr bescheidenen Verhältnissen lebt. Hühner und Lotusblüten sind hier die Haupteinnahmequellen.
Laos
Von Hanoi geht es mit dem Flieger nach Luang Prabang in Laos. Der kurze Flug katapultiert uns in ein märchenhaftes Städtchen zwischen grünen Bergen am Ufer des schlammig-braunen Mekong Flusses. Die ehemalige Königsstadt ist klein, hat aber über 200 Tempel zu bieten. Noch heute leben über 3000 Mönche in der Stadt, die, auf ihrem morgendlichen Almosengang entlang der Hauptstraße, mit Reis versorgt werden. Man darf auch als Tourist an dieser Speisung teilnehmen, was ich mir nicht entgehen lasse.
Einige Tempel, wie der Wat Xieng Thong, sind sehr gut erhalten und beeindrucken mit ihren goldenen Verzierungen, den großen Buddha Statuen und Symbolen des buddhistischen Glaubens. Laos, das zwischen Thailand und Burma stets eine Art Durchgangslagerfunktion hatte, war lange ein Königreich, das die Khmer im 14. Jahrhundert als Vasallenstaat gründeten. Lange musste es sich im Kampf um die Vorherrschaft in der Region behaupten.
Als im 16. Jahrhundert die Hauptstadt nach Vientiane, die auch heute noch Hauptstadt ist, verlegt wurde, versankt Luang Prabang in der Bedeutungslosigkeit. Auch unter der französischen Kolonialherrschaft war Laos stets ein Spielball der Interessen anderer Nationen. Während des Vietnamkriegs fielen so viele Bomben auf Laos wie auf kein anderes Land der Welt. Die Amerikaner versuchten so, den Nachschub der vietnamesischen, kommunistischen Vietcongs auf dem Ho-Chi-Min-Pfad, quer durch Laos, zu unterbinden. Luang Prabang blieb verschont, so auch der Königspalast, aus dem der König 1975 in ein kommunistisches Umerziehungslager abtransportiert wurde, das er nicht lebend verlassen hat. Noch heute kann man den Palast, mit seiner eher bescheidenen Ausstattung, besichtigen.
„Die Chinesen“ haben einen modernen Hochgeschwindigkeitszug von Luang Prabang bis zur Hauptstadt gebaut. Er ist an das chinesische Schienennetz angeschlossen und sorgt dafür, dass der konstante Strom chinesischer Touristen nicht abreißt. Wir aber benutzen die Straße, fahren durch knietiefe Schlaglöcher, im Kampf mit zahllosen 40-Tonnern chinesischer Herkunft, die sich wie die Könige der Landstraße benehmen.
Pakse
In der Landesmitte, kurz vor Savannakhet, biegen sie ab, um über die thailändisch-laotische Freundschaftsbrücke nach Thailand über den Mekong zu fahren. Hunde, Rinder, Ziegen, Kinder, überladene Tuck-Tucks, alles tummelt sich auf dieser Hauptverkehrsader, die wir über 1000 Kilometer entlangfahren. Vorbei an romantischen Reisfeldern, durch schöne Karstgebirge, bis wir wieder am Mekong ankommen. Die Nacht verbringen wir in einem Motel, Abendessen gibt es in einem chinesischen Restaurant mit eher undurchsichtiger Klientel. Am nächsten Tag geht es weiter nach Pakse, wo wir uns den Tempel Wat Pou anschauen wollen. Eine Anlage der Khmer, die sie irgendwann im 11. Jahrhundert verließen, um in Angkor Wat eine noch größere Tempelanlage zu bauen.
Khmer Kultur, Landminen und der Buddhismus in Kambodscha
Bong bedeutet Bruder in Khmer, der Sprache der Kambodschaner. So wird man in diesem freundlichen Land gerne angesprochen. Als Fremdsprachlerin interessiere ich mich immer für Sprache und erfahre, dass es erst seit dem 06. Jahrhundert n.Chr. schriftliche Zeugnisse der Sprache gibt. Sie stammt aus der Familie der austro-asiatischen Sprachen und enthält Elemente von Sanskrit und Pali. Letztere ist die Sprache des Buddhismus. Lernen müssen wollte ich sie nicht, denn die grammatischen Regeln und Zeichen sind kompliziert.
In den Ausgrabungen der Tempelanlagen von Angkor Wat und Angkor Tom findet man einige Inschriften. Es grenzt schon an ein Wunder, dass man in diesen beeindruckenden Tempelanlagen herumspazieren kann, wie man möchte. Es ist nichts abgesperrt oder eingegrenzt. Die Besucher können die wunderschönen Steinreliefs anfassen. Einige sind davon schon blank. Über kniehohe Türschwellen geht es steile Treppen hinauf, auf umlaufende Terrassen und durch Atrien. Durch lange Gänge, vorbei an den gemeißelten Hindu Hauptgöttern, Shiva, dem Zerstörer und Neuerbauer der Welt, Brahma, dem Schöpfer der Welt und Vishnu, dem Bewahrer. Die drei zusammen bilden die Dreieinigkeit der Göttlichkeit.
Daneben werden hunderte anderer Gottheiten verehrt, die nach dem Glauben der Hindus alle eine besondere göttliche Gabe in sich tragen. Da kann man schon mal den Überblick verlieren, ähnlich wie bei den Heiligen und Märtyrern, die die Christen verehren. Dazu kommt noch, dass im 16. Jahrhundert die Buddhisten das Kommando übernahmen und viele Symbole entfernen ließen. Es fand eine Art religiöses Umstyling statt. Auch im noch älteren Angkor Tom findet man entsprechende Zeugnisse davon. Es würde zu weit führen, hier in die kunstgeschichtlichen Details einzusteigen. Für die Interessierten gibt es mehr auf der Unesco World Heritage Webseite https://whc.unesco.org/en/list/668/
Die Tempel sind Zeugnisse einer 300-jährigen Blütezeit, die im 15. Jahrhundert, durch die Eroberung des Thai König Ayuttahaya endete. Sie wurden verlassen und versanken jahrhundertelang im Dornröschenschlaf, bevor die Franzosen sie vor 150 Jahren entdeckten.
Landminen Museum
Ein trauriges Kapitel dieses Landes ist sicherlich die Schreckenszeit der Herrschaft durch die roten Khmer. Deren Führer Pol Pot wollte hier einen kommunistischen Agrarstaat errichten. Diesem Plan fielen Millionen Kambodschaner zum Opfer, die nicht ins Bild passten und auf den „Killing Fields“ hingerichtet wurden. Das, von Aki Raa gegründete, Landminen Museum in Siem Reap erzählt die Geschichte des ehemaligen Kindersoldaten der Roten Khmer, der nichts anderes kannte als Krieg, bis das Land von den Vietnamesen 1989! befreit wurde. Erst dann verstand er die Verwüstung und das Unheil, das die Roten Khmer dem Volk mit ihren unzähligen Landminen angetan hatten. Er wurde ein Held, sammelte Geld, entschärfte Landminen, gründete ein Kinderheim für die Versehrten und baute ein Museum. Auch das ist Kambodscha.
Auf dem Weg zur Küste, fahren wir wieder über schwierige Straßen, vorbei an den hässlichen Rändern der Großstadt Phnom Penh, wo pünktlich um fünf die Straßen von tausenden Frauen, die die umliegenden Fabriken ausspucken, gesäumt werden. Alle streben nach Hause, auf dem Motorroller, stehend auf LKWS. Auch das ist Alltag im boomenden Kambodscha, dass sich erst 1999 endgültig von den, noch lange aus dem Untergrund agierenden, Roten Khmer befreien konnte und sich buchstäblich aus dem Staub hoch gekämpft hat.
Heute sorgt die CPP, Cambodian Peoples´Party, deren Plakate sich im Abstand von wenigen Metern an der Hauptstraße stapeln, dafür, dass das Land wieder zu Wohlstand kommt. Mit fragwürdigen Methoden. Oppositionelle werden inhaftiert, deren Parteien nicht zu Wahlen zugelassen. Die soziale Ungleichheit wächst mit dem Wohlstand, die Macht wird an die nächste Generation weitergegeben, so dass wenige Familien das Sagen haben. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von 2022 belegt es mit Platz 150 von 180 einen der hinteren Ränge. Die Bundesrepublik unterstützt das Land mit jährlich 63 Millionen Euro Entwicklungshilfe und man fragt sich, was damit für die Menschen getan wird. Auf der Seite des Entwicklungshilfe Ministeriums findet man Informationen. Es fließt in den Bereich Medizin, soziale Sicherung und Bevölkerungsdynamik und in den Umweltschutz. https://www.bmz.de/de/laender/kambodscha/wirtschaftliche-situation-16086