Halbnomadischen Kindern in Kenia Bildung ermöglichen – das war die Motivation von Jörg Baetge als er während seiner Zeit als Gastprofessor an der Kenyatta Universität in Nairobi den Entschluss fasste, ein Internat zu gründen. Der mittlerweile emeritierte Professor der WWU Münster konnte sich im Jahr 2010 selbst ein Bild über die Situation der Massai machen und war über den Mangel an Bildung in dieser Bevölkerungsgruppe bestürzt. Die Kluft zwischen dem von ihm vermittelten Wissen und dem, was er bei den Massai erlebte, war einfach zu groß. Es musste etwas geschehen.
In Kenia erhält man mit dem Abschluss der Grundschule (Primary School) nach der achten Klasse das KCPE-Certificate of Primary Education. Das entspricht ungefähr einem deutschen Hauptschulabschluss. Dieser Abschluss ist für Schüler in Kenia neben einer Berufsausbildung die Möglichkeit, sich für weiterführende Bildung zu qualifizieren (siehe Schaubild).
Kenia ist aktiv im Bildungsbereich und hatte 2015 das „UN-Millenniumsziel“ erreicht, so dass neun von zehn Kindern unter elf Jahren eine Grundschule besuchten. Im Vergleich zum Jahr 2000, wo es nur rund 50 Prozent waren. Neben privaten, kostenpflichtigen Schulen ist der Public Primary School-Besuch in Kenia zwar kostenlos, das gilt aber nicht für Grundschul-Internate. Eltern von Internatsschülern müssen nicht nur Schuluniformen, Schreibhefte und Stifte sondern auch Matratzen und Bettwäsche kaufen. Zusätzlich sind Frühstück und Abendessen der Internatsschüler zu bezahlen. Das fällt Massai-Familien nicht leicht, denn deren Einkommen ist im Durchschnitt nur 70% des kenianischen Durchschnitts-Einkommens und das beträgt ca. 2-3 USD pro Tag.
Viele Massai Kinder blieben in der Vergangenheit ohne Schulabschluss
Viele Massai konnten die Kinder zudem häufig nur 1 term (3 Monate) lang am Unterricht teilnehmen lassen, weil die Herden auf Futtersuche weiterziehen. Ein Schulabschluss der Primary School bleibt oft ein unerreichbares Ziel. Jörge Baetge kennt die Probleme der Massai. Durch seine große Begeisterung und Motivation wurde aus einer aufrüttelnden Begegnung ein konkretes Projekt: eine staatliche Primary School in Kombination mit einem privat geförderten Internat für Massai Kinder, in der 500 Internatskinder und 200 Tages- und Vorschulkinder einen Hauptschulabschluss erwerben können. Durch die Gründung des Internats an der Ilkeek Aare Primary School konnte die Schulabschlussrate der Massai Kinder deutlich erhöht werden. Auch im Bildungsranking der Region Narok schneidet die Schule sehr gut ab
Gute Noten beim Bildungsranking
Das Internat ist aber nicht nur ein Lernort. Die Kinder spielen, tanzen, singen, machen Sport, bilden Freundschaften voller Freude und Zuversicht auf eine gute Zukunft in ihrem Heimatland. Mit seiner Begeisterung konnte Jörg Baetge viele Unterstützer gewinnen und sogar eine kleine Bewegung mobilisieren. Neben vielen privaten Unterstützern sind die Mitglieder seines heimatlichen Lions Clubs Münster Landois und des Partnerclub Thika Chania Falls (Kenia) die größten Säulen des Projekts. Jedes Jahr besuchten er und die Mitglieder seines gegründeten Fördervereins die Schule und versuchten, durch die Bildung von Partnerschaften mit z.B. der südafrikanischen Sportorganisation „Play Handball“, der Schweizer Hilfsorganisation „Handwerker ohne Grenzen“ und dem Lehrinstitut für Lehrerausbildung (ZFL) an der Universität in Münster, die Schüler noch zusätzlich zu unterstützen.
Wenig Hilfsmittel erfordern mehr Phantasie
Die jungen angehenden Lehrer und Lehrerinnen aus Deutschland, die hier ein Praktikum absolvieren, entwickeln ungeahnte Phantasie im Umgang mit der einfachen Ausstattung und den oft fehlenden Hilfsmitteln. Jedes Jahr entstehen herzliche Freundschaften und den Teilnehmern des Programms wird das Herz beim Abschied oft schwer.
Aus dem Verein ist jetzt die Jörg Baetge Stiftung.Home4Education geworden. Aus einem kleinen Kreis freiwilliger Helfer hat sich eine motivierte Gruppe engagierter Unterstützer gebildet, die das Lebenswerk Jörg Baetges trägt und fortführt. Für alle ist es eine erfüllende Erfahrungen das Projekt zu begleiten. Das Team organisiert für die Schüler Verpflegung, Kleidung und Unterrichtsmaterialien. Außerdem kümmert sich die Stiftung beispielsweise um Gesundheitsversorgung oder die Bereitstellung von Hygieneartikel und meistert herausfordernde Aufgaben, wie den Bau eines Regenwasseraufbereitungssystems oder den Transport von Schulmöbeln von Deutschland nach Kenia. Die Begegnung mit den kenianischen Kindern und ihrer Lebensfreude ist dabei die größte Motivation. Die Stiftung widmet sich darüber hinaus Themen wie dem Klimawandel, den Auswirkungen der aktuellen Covid-19-Pandemie und anderen Herausforderungen, um sich an einer positiven Zukunftsgestaltung zu beteiligen. Bei seinem Projekt erhielt Jörg Baetge großzügige Unterstützung von seinem direkten Umfeld. Zudem wurde sein Anliegen durch „Ein Herz für Kinder“ und die Weihnachtsspendenaktion der Westfälischen Nachrichten gefördert. Dennoch sucht er stets nach neuen Unterstützern und Partnern, um für alle anstehenden Aufgaben und Projekte bestens aufgestellt zu sein.
Gesucht werden Partnerorganisationen für Digitalisierungskompetenzen
Aktuell werden vor allem Partner gesucht, die bei der Vermittlung verschiedener beruflicher Fertigkeiten sowie essentiellen Kernkompetenzen der Digitalisierung helfen können. Das Ziel ist es, Maßnahmen und Programme zu schaffen, die den Kindern breitgefächerte Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Außerdem soll das Internat in naher Zukunft erweitert werden, so dass 1000 Kinder aufgenommen werden können. Die BaetgeHome4EducationStiftung will möglichst viele Kinder dabei unterstützen, ihre Zukunft nach den eigenen Wünschen zu gestalten. Das gilt insbesondere für Mädchen, die in Kenia nach wie vor Stammesritualen wie Beschneidung ausgesetzt sind.
Ich wünsche der Stiftung und der Ilkeek Aare „ukuaji mzuri” – gesundes Wachstum!